n: Beratende Ingenieure 1-2/2006, 41

OLG Bamberg, Urteil vom 19. 7. 2005 – 5 U 236/04 –, BauR 2005, 1792

Der Beklagte war mit der Tragwerksplanung für eine Tiefgarage beauftragt worden. Über die Grundleistungen des § 64 Abs. 3 HOAI hinaus hatte er auch die Bewehrungsabnahme vorzunehmen. Vereinbart war eine fünfjährige Verjährungsfrist für die Mängelhaftung, beginnend mit der „Übergabe des fertiggestellten Bauobjekts“. Das Objekt war Ende 1994 übergeben worden. 1995 zeigten sich Risse in der Stützkonstruktion. Zur Stellungnahme aufgefordert bewertete der Beklagte die Risse als oberflächliche Ausführungsmängel, die nachgebessert wurden. Als im Oktober 2000 erneut Risse aufgetreten waren, stellte sich heraus, daß die Bewehrung erheblich mangelhaft vorgenommen worden war. Ende 2000 leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Beklagten ein, im August 2003 erhob sie Klage. Die Bewehrungsmängel sind unstreitig. Der Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Der Vertrag unterlag dem alten Schuldrecht; nach neuem Recht gelten aber dieselben Erwägungen.
Abweichend von der gesetzlichen Regelung (Beginn der Verjährung mit Abnahme) stellt die vertragliche Regelung auf die Übergabe der fertiggestellten Leistung ab. Das Gericht legt diese Regelung in Anlehnung an entsprechende Formulierungen in der HOAI (vgl. etwa § 15 Abs. 2 Nr. 8, 12. Grundleistung HOAI) in dem Sinne aus, daß eine Abnahme nicht erforderlich ist, ja nicht einmal Abnahmefähigkeit vorliegen muß. Das gilt zum einen für die Leistungen des Bauunternehmers, zum anderen aber auch für die Leistung des Ingenieurs.
Daran anknüpfend ist die reguläre fünfjährige Verjährungsfrist (jetzt § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB) bereits Ende 1999 abgelaufen, so daß auch eine Hemmung durch Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens und Klageerhebung nicht mehr erfolgen konnte.
Das Gericht nimmt aber eine sogenannte Sekundärhaftung des Beklagten an, die noch nicht verjährt sei. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Beklagte die ihm übertragene Bewehrungsabnahme nicht oder völlig unzureichend vorgenommen hat; die erheblichen Mängel der Bewehrung hätten sonst ohne weiteres auffallen müssen.
Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß den Objektplaner die Verpflichtung trifft, die Interessen des Auftraggebers umfassend wahrzunehmen und in diesem Zusammenhang nicht nur auf gegen ausführende Unternehmer bestehende Haftungsansprüche und deren drohende Verjährung hinzuweisen, sondern auch über eigene Leistungsmängel und die ggf. drohende Verjährung aufzuklären. Folge einer unterlassenen Aufklärung ist ein eigenständiger Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung (§ 280 BGB), der dazu führt, daß die Verjährung der gegen den Planer gerichteten Mängelansprüche als nicht eingetreten gilt. Diese sogenannte Sekundärhaftung (weil sie neben die primäre Mängelhaftung tritt) verjährt eigenständig in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Auftraggeber von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Diese auch von den Untergerichten übernommene Rechtsprechung ist nicht unbedenklich, da damit das Institut der Verjährung erheblich ausgehöhlt wird. Begründet wird sie mit der umfassenden Sachwalterstellung des Objektplaners, der der primäre Ansprechpartner des Bauherrn für alle bei der Bauabwicklung stehenden Probleme sei.
Der BGH hat allerdings in einem jüngeren Urteil (NZBau 2002, 42, 43) ausdrücklich hervorgehoben, daß diese Rechtsprechung nicht auf den Tragwerksplaner übertragen werden könne, da dieser hinsichtlich seiner Aufgaben stets auf bestimmte Segmente beschränkt sei; er habe nicht die umfassende Stellung, die für den Architekten oder etwa für den Planer eines Ingenieurbauwerks typisch sei.
Davon abweichend bejaht das Gericht im vorliegenden Fall einen Sekundärhaftungsanspruch gegen den Beklagten.
Ohne sich auch nur ansatzweise mit der Argumentation des BGH auseinanderzusetzen, sieht das Gericht den Beklagten als Tragwerksplaner für den Bereich seines Leistungsgegenstandes, insbesondere auch die Bewehrungsabnahme, in gleichem Maße als Sachwalter an, wie einen Architekten. Der Kläger habe ihn gerade deshalb mit der Bewehrungsabnahme betraut, damit Ausführungsmängel wie die eingetretenen vermieden würden. Daraus wird eine besondere Vertrauensstellung des Klägers gegenüber dem Beklagten abgeleitet. Dabei beachtet das Gericht indes nicht die sehr wohl erwogene Differenzierung des BGH, die auch eine zu starke Ausweitung der Sekundärhaftung vermeidet: Die Aufklärungspflicht wird gerade aus der umfassenden Stellung des Objektplaners abgeleitet, der mit der Objektüberwachung und ?betreuung besondere Betreuungsaufgaben gegenüber dem Bauherrn übernehme und diesem auch nach der Fertigstellung bei der Untersuchung und Feststellung von Baumängeln zur Seite zu stehen habe. Ihm kommt es zu, den Auftraggeber bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegen andere Planungsbeteiligte und die Unternehmer zu unterstützen. Der Tragwerksplaner habe eine vergleichbar zentrale Stellung nicht; er sei gerade nicht der primäre Ansprechpartner des Bauherrn, da er – auch wenn die Bewehrungskontrolle zu den ihm übertragenen Aufgaben zähle – in seiner Tätigkeit nur auf bestimmte Segmente beschränkt sei. Insbesondere gehöre die Koordinierung und Überwachung sowie Betreuung des gesamten Bauwerks nicht zu seinem Pflichtenkreis.
Allerdings können nach BGH besondere Betreuungs- und Aufklärungspflichten vertraglich gesondert vereinbart werden. Daß dies im vorliegenden Fall geschehen sei, läßt sich indes den Feststellungen des Gerichts nicht entnehmen.
Die derart vorgenommene Ausweitung der ohnehin problematischen Anspruchsbegründung aus der Sekundärhaftung wäre vorliegend nicht einmal notwendig gewesen, da das Ergebnis auch auf anderem Weg zu erreichen gewesen wäre, was das Gericht offenläßt. Nach § 634 a Abs. 3 Satz 1 BGB verjähren Mängelansprüche abweichend von der allgemeinen Regel dann in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Auftragnehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Ein arglistiges Verschweigen wird auch dann angenommen, wenn der Auftragnehmer sich der Kenntnis von Mängeln seiner Leistung bewußt verschließt und nicht organisatorisch sicherstellt, daß ihm Mängel bei der Ausführung auch bekannt werden. Nach den Feststellungen des Gerichts dürfte daher ein arglistiges Verschweigen anzunehmen sein: Wenn der Beklagte die geschuldete Bewehrungsabnahme nicht oder völlig unzureichend vornahm, ist damit seine Leistung schon mangelhaft. Dies hätte der Beklagte offenbaren müssen. Im Unterschied zum Fall der Sekundärhaftung geht es dabei um ein Verschweigen bei Fertigstellung bzw. Abnahme der Leistung, nicht darum, bei später auftretenden Mängeln deren Ursache und möglicherweise die eigene Verantwortlichkeit zu prüfen und zu offenbaren.