von RA Dr. Reinhard Voppel
in: HLH 3/2015, 13

Typisch für den nach der VOB/B regelmäßig vorausgesetzten Einheitspreisvertrag ist es, dass die tatsächlich ausgeführten Massen nicht den im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Massen entsprechen. Abzurechnen sind dann – ggf. mit Modifikationen – die tatsächlichen Massen.

Nachfolgenden geht es nur um solche Massenänderungen, die auf Ungenauigkeiten bei der Planung und Aufstellung des Leistungsverzeichnisses beruhen, nicht jedoch auf nachträglichen Eingriffen des Auftraggebers. Fordert der Auftraggeber nachträglich Änderungen, gelten für Massenmehrungen § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B, für Massenreduzierungen § 2 Abs. 4 oder § 8 Abs. 1 VOB/B.
Grundsätzlich ist eine Ankündigung von Massenmehrungen nicht erforderlich, da die daraus resultierende Vergütungsmehrforderung aus dem gewählten Vertragsmodell des Einheitspreisvertrages folgt. Vertragsklauseln, die eine vorherige Ankündigung vorsehen, können im Fall des Unterlassens die Abrechnung nach den tatsächlichen Massen nicht ausschließen, sondern nur zu einem Schadensersatzanspruch des Auftraggebers führen, falls er bei rechtzeitiger Mitteilung zu seinem Vorteil noch hätte eingreifen können.
Das OLG Celle (IBR 2013, 7) hat allerdings für exorbitante Massenmehrungen (30-40fach), die zur Unwirtschaftlichkeit des beauftragten Verfahrens führen, eine Hinweispflicht des Unternehmers angenommen und ihm eine Vergütung nur für die ausgeschriebenen, nicht die tatsächlich ausgeführte Menge zugesprochen. Die Entscheidung ist zu recht hoch umstritten.
Folge der Massenveränderung ist regelmäßig die Abrechnung nach den tatsächlich ausgeführten Mengen. In letzter Zeit gab es mehrfach Fälle, in denen der Auftragnehmer für eine Position eine gegenüber den ortsüblichen Preisen deutlich (im ersten entschiedenen Fall 894fach, später auch für niedrigere Fälle, etwa 8fach entschieden) überhöhte Einheitspreise angeboten hat. Bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wird eine Sittenwidrigkeitsprüfung durchgeführt. Nach Ansicht des BGH (IBR 2009, 128) begründen extreme Preisüberhöhungen eine Vermutung für ein verwerfliches Gewinnstreben, die aber widerlegt werden kann, etwa durch eine nachvollziehbare, an besonderen Risiken orientierte Kalkulation. Auch geringe Auswirkungen auf den Gesamtpreis sollen eine Verwerflichkeit ausschließen. Wird die Verwerflichkeit bejaht, hat dies zur Folge, dass nur die ausgeschriebene Menge zuzüglich 10 % zum angebotenen Preis abgerechnet werden kann, für Mehrmengen gilt der ortsübliche Preis.
Massenveränderungen können sich auch auf andere Preisbestandteile auswirken. Bei einem BGB-Vertrag kann das grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn ein Fall der Änderung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, eingreift, was die Unzumutbarkeit voraussetzt, am unveränderten Vertrag festzuhalten. Dies setzt Änderungen voraus, die sich insgesamt um mindestens 20 % auf die vereinbarte Vergütung auswirken.
§ 2 Abs. 3 VOB/B gewährt den Vertragsparteien bereits bei Abweichungen über 10 % Ausgleichsansprüche.
Wird die im Leistungsverzeichnis vorgesehene Menge um mehr als 10 % unterschritten, kann der Auftragnehmer nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B eine daraus resultierende Unterdeckung bei den einkalkulierten Baustelleneinrichtungs- und -gemeinkosten sowie den Allgemeinen Geschäftskosten geltend machen. Nach überwiegender, aber nicht unbestrittener Ansicht können auch Wagnis und Gewinn angesetzt werden. Die ausgefallenen Anteile werden auf die verbliebene Masse umgerechnet und dem Einheitspreis zugeschlagen. Allerdings muss berücksichtigt werden, wenn es an anderer Stelle einen Ausgleich gibt. Gegenzurechnen sind Massenerhöhungen bei anderen Positionen um mehr als 10 % sowie Deckungsbeiträge aus Nachträgen.
Im Ergebnis unbestritten ist, dass dann, wenn sich – wiederum ohne Eingriff des Auftraggebers – die Masse einer Position auf Null reduziert, der Auftragnehmer einen Ausgleich für die entfallenen Deckungsbeiträge sowie Wagnis und Gewinn erhalten muss. Umstritten ist, ob dies auf § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B (analog) oder auf § 8 Abs. 1 VOB/B zu stützen ist. Der Bundesgerichtshof (BauR 2012, 640) stützt den Anspruch auf § 2 Abs. 3 VOB/B in entsprechender Anwendung; was bedeutet, dass auch in diesem Fall ein anderweitiger Ausgleich zu berücksichtigen ist.
Auch bei Massenüberschreitungen um mehr als 10 % kann gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ein Anspruch auf Preisanpassung bestehen: Die daraus resultierende Kostenüberdeckung kann zu einer Reduzierung, Mehrkosten durch eine Nachbestellung zu schlechteren Preisen oder mit Mindermengenzuschlag zu einer Erhöhung des Einheitspreises führen.
Sowohl bei Massenminderungen als auch bei Massenerhöhungen ist eine Preisanpassung nur auf Verlangen einer Partei vorzunehmen.
Nicht selten wird die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B vertraglich ausgeschlossen. Dies ist grundsätzlich – auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – zulässig, da damit die gesetzliche Regellage ohne unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wiederhergestellt wird.
Allerdings ist dann die VOB/B nicht mehr „ohne inhaltliche Abweichungen“ in den Vertrag einbezogen; sie unterliegt in vollem Umfang der Inhaltskontrolle.
Das OLG Köln (Beschluss vom 7. 11. 2014 – 19 U 55/14 –) hatte über folgende Klausel zu entscheiden: „Massenänderungen – auch über 10% – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur.“ Zutreffend bewertet das Gericht eine § 2 Abs. 3 VOB/B ausschließende Regelung als wirksam. Das Gericht geht weiter davon aus, dass mit dieser Klausel jede Preiskorrektur, auch über § 313 BGB, ausgeschlossen sei. Eine Klausel, die auch eine Preisanpassung bei Änderung der Geschäftsgrundlage und damit auch bei erheblichen Mengenänderungen ausschließt, benachteiligt die andere Vertragspartei unangemessen und ist entgegen der Ansicht des OLG Köln als unwirksam anzusehen.