in: Beratende Ingenieure 9/2004, 32

Rechtsanwalt und Mediator Christoph Bubert

Der Begriff Mediation ist mittlerweile auch in Deutschland weit verbreitet, auch wenn er teilweise noch mit der sogenannten Meditation verwechselt wird. Allerdings ist die Anzahl der Mediationsverfahren im Verhältnis zu Gerichtsverfahren ungleich geringer. Demgegenüber gehört die Mediation in den USA längst zum Alltag der Bürger.

Trotz alledem steigt auch in Deutschland die Anzahl der Mediationsverfahren beträchtlich, und dies nicht nur im Bereich des Familienrechts. Auch im Wirtschaftsleben, insbesondere im Planungs- und Bauwesen, findet die Mediation immer mehr Zuspruch. Denn die Beteiligten eines Bauprojektes wissen genau: Konflikte sind teuer. Sie kosten Zeit, Nerven und oft sehr viel Geld. Hohe Streitwerte verursachen erhebliche Gerichts-, Anwalts- und Sachverständigenkosten. Insoweit erscheint es sinnvoll, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Mediation kann neben Gerichtsverfahren und Schiedsgerichtsverfahren eine sinnvolle Alternative sein.

Was ist Mediation?

Mediation ist eine Beratungs- und Verhandlungsmethode, die eine außergerichtliche Konfliktlösung zum Ziel hat. In der Mediation versuchen die Parteien unter Einbeziehung eines neutralen Dritten, dem Mediator, aktiv und eigenverantwortlich im Wege strukturierter Verhandlungen gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Dies geschieht in einem vertraulichen, nichtöffentlichen Verfahren. Der Mediator ist Moderator, kein Richter, der lediglich darüber befindet, wer Recht hat. Der Mediator muß bestimmte Eigenschaften besitzen. Die Allparteilichkeit gewährleistet Neutralität. Er muß die Parteien als Menschen betrachten und sie daher mit ihren Schwächen und Stärken akzeptieren. In diesem Rahmen hat er sie zu würdigen und zu respektieren.

Nicht nur der Mediator ist Regeln unterworfen, auch die Parteien selbst müssen sich zur Einhaltung bestimmter Mediationsregeln in einem Mediationsvertrag verpflichten. Respekt und Toleranz sind gefragt. Die Konfliktparteien erklären sich bereit, sich gegenseitig ausreden zu lassen und die Würde des anderen zu achten. Da es sich um ein freiwilliges Verfahren handelt, müssen die Parteien die Bereitschaft mitbringen, an der Mediation teilzunehmen und zusammenzuarbeiten. Dies bedeutet nicht nur Kooperationsbereitschaft, sondern auch Eigenverantwortlichkeit. Das Verfahren ist vertraulich, so daß eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht. Das, was gesagt wird, bleibt unter den Beteiligten und wird nicht weiter erzählt. Gefordert sind auch Offenheit und Ehrlichkeit. Die Parteien versuchen daher, ihre Meinungen und auch Gefühle offen und ehrlich auszudrücken. Auch die gerade in heutigen Zeiten nicht immer leicht zu erwerbende Fähigkeit des Zuhörens ist eine Regel des Mediationsverfahrens. Wenn eine Person „dran“ ist, wird sie nicht durch eine andere Person unterbrochen. Verbale und körperliche Gewalt werden selbstverständlich nicht toleriert. Geboten ist Fairneß, zu unterlassen sind Beleidigungen oder gar Handgreiflichkeiten.

Wer bereit ist, diese Regeln einzuhalten, kann in das Mediationsverfahren einsteigen. Probleme und Konflikte im Bauwesen sind jedenfalls in ausreichendem Maße vorhanden und vielfältiger Natur.

Hauptursache von Konflikten

Auch in Baukonflikten geht es primär um materielle Interessen bzw. begrenzte Ressourcen, wie Geld oder Zeit. Daneben spielen persönliche Interessen oder unerfüllte Grundbedürfnisse die wesentliche Rolle für Konflikte. Als typische Problemzonen bei Bauprojekten sind folgende Gesichtspunkte zu nennen:
– Bauprojekte sind komplex
– Es gibt eine hohe Anzahl von Projektbeteiligten, wie Bauherrn, Projektentwickler, Planer, Eigentümer, Anwohner, Behörden, Generalunternehmer, Subunternehmer, Lieferanten, politische Parteien und gfl. Bürgerinitiativen
– Verträge und Ausschreibungsunterlagen sind häufig lückenhaft und unklar
– Termine und Fristen sind zu kurz bemessen
– Bauvorhaben erfordern große Investitionen
– Sachzwänge, Befindlichkeiten und unterschiedliches Verständnis der Bauaufgabe
– Bauherrn vergeben Leistungen an den vermeintlich wirtschaftlich günstigsten Bieter und auch Planer. Dadurch bedingt erlangt das sogenannte Nachtragsmanagement im Sinne der Aufbesserung der Vergütung eine besondere Bedeutung.

Wer die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Mediationsverfahren hat, sollte wissen, wie dieses Mediationsverfahren im einzelnen gestaltet ist. Beim Ablauf eines Mediationsverfahrens sind fünf Phasen zu durchlaufen:

1. Vorbereitungsphase
Der Mediator nimmt Kontakt zu beiden oder allen Streitparteien auf. Er eröffnet die Verhandlung und erklärt das Mediationsverfahren sowie die Rolle und die Pflichten des Mediators, legt die Verhaltensregeln sowie den Zeitrahmen fest. Der Mediator schafft eine konstruktive Atmosphäre, gfl. wird Streß abgebaut. Am Ende dieser Phase wird der sogenannte Mediationsvertrag abgeschlossen. Gegenstand dieser Vereinbarung sind im wesentlichen die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Beteiligten, die Mediationsregeln, die Vergütung des Mediators sowie der Ablauf und Abschluß des Verfahrens.

2. Die Phase des Mitteilens
Der Mediator vermittelt, strukturiert und leitet das Gespräch. Die Parteien stellen ihre Sichtweisen des Konfliktes dar. Bei Beteiligung von Rechtsanwälten besteht die Gelegenheit, gfl. Stellungnahmen zur Rechtslage abzugeben. Der Mediator faßt anschließend die Sichtweisen der Parteien zusammen, fragt nach und betont die Übereinstimmungen und Streitpunkte. Die Themen werden gewichtet und die weitere Vorgehensweise für die Bearbeitung der Streitthemen wird festgelegt.

3. Von Positionen zu Interessen
In dieser Phase werden die Interessen und Bedürfnisse der Parteien herausgearbeitet. Der Mediator erreicht mit geeigneter Methodik, daß die Parteien die Beweggründe für die Handlungsweise der anderen Seite erkennen und Verständnis für sie entwickeln. In dieser Phase besteht auch die Möglichkeit von Einzelgesprächen.

4. Lösungen suchen und sammeln
In diesem Schritt werden alternative Lösungen und Ideen gesammelt. Die Parteien werden gebeten, die gefundenen Lösungsalternativen gemeinsam zu bewerten. Ziel ist es, eine Einigung zu finden die beiden Parteien gerecht wird. Das Ziel dieser Phase ist erreicht, wenn die Parteien Übereinkunft und Einverständnis erreichen.

5. Abschlußvereinbarungen
In dieser letzten Phase wird die gefundene Einigung schriftlich fixiert. Ratsam ist die Überprüfung durch Rechtsanwälte. Der so erzielte, verbindliche Vertragsabschluß wird unterzeichnet.

Für die Parteien ist es möglicherweise von Interesse, ob der sogenannte Mediationsvergleich notfalls vollstreckt werden kann. Nach der Zivilprozeßordnung existiert kein Titel, der die Vollstreckbarkeit von Vergleichen vorsieht, die im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen ohne anwaltliche Vertretung zustande gekommen sind. Allerdings besteht zum einen die Möglichkeit, den Abschluß eines Vergleiches vor einem Notar protokollieren zu lassen und eine Urkunde darüber zu errichten (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Die Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde findet allerdings nur dann statt, wenn sich der Schuldner in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
Die Parteien können aber auch das Ergebnis ihrer außergerichtlichen Verhandlungen in einen vollstreckbaren Titel dadurch kleiden, daß sie jeweils durch Rechtsanwälte vertreten werden. Nach §§ 796 a – 796 c ZPO können Rechtsanwälte im Namen und mit Vollmacht der von ihnen vertretenen Parteien einen Vergleich schließen, der auf Antrag einer Partei von einem Gericht oder Notar für vollstreckbar erklärt werden kann. Voraussetzung ist allerdings auch hier, daß sich der Schuldner in dem Vergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und der Vergleich bei einem Amtsgericht niedergelegt oder bei einem Notar verwahrt wird.

Arten der Mediation

Neben der sogenannten Einzelfallmediation hat sich gerade im Baubereich die sogenannte baubegleitende oder projektbegleitende Mediation als sehr sinnvoll erwiesen. Hier wird gleich zu Beginn eines Bauvorhabens zwischen Bauherrn und Baubeteiligten ein Mediationsvertrag dergestalt abgeschlossen, daß für alle Arten von möglichen Konfliktfällen bereits ein Mediator sowie das Konfliktlösungsverfahren vereinbart wird. Bereits im Vertrag können sich die Seiten für den Konfliktfall auf einen konkreten Mediator einigen, sich die Mediation bindend vorschreiben und erst nach deren Scheitern den Gang vor Gericht erlauben. Die projektbegleitende Mediation erscheint vorteilhaft, da der fachkundige Mediator in der Lage ist, im Projektverlauf sich anbahnende Konflikte im Ansatz zu erkennen und vermittelnd tätig zu werden. Notwendige Voraussetzung hierzu ist die Einbeziehung des Mediators in den Informationsfluß, z.B. durch die Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Besprechungen (jour-fix o.ä.). Im Gegensatz zum Projektsteuerer bleibt der Mediator in jedem Falle neutral bzw. allparteilich. Andererseits sollte der Mediator, wenn er spontan in den Konflikt gerufen wird, auch befugt sein, Vorschläge zur Lösung des Konfliktes zu machen, damit eine drohende Verzögerung und mögliche Verteuerung des Projektablaufs vermieden wird.

Bei komplexeren Bauvorhaben ist es ratsam, die Einschaltung von zwei Mediatoren (sogenannte Co-Mediation) vorzunehmen. Hierbei werden z.B. die Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des Kontakts mit sämtlichen Konfliktpartnern (etwa Augenkontakt) vergrößert. Im Falle der Notwendigkeit der Beurteilung zahlreicher technischer Fragen hat sich ein Zusammenwirken zwischen Mediator und Sachverständigem als sinnvoll erwiesen. Der Sachverständige kann insoweit im Team mit einem Mediator zusammenarbeiten oder fallweise ergänzend hinzugezogen werden. Dessen Beurteilung kann den Ablauf des Mediationsverfahrens bereichern und beschleunigen. Schließlich ist noch auf die positiven Erfahrungen der sogenannten gerichtsnahen Mediation abzuheben. Bewährt hat sich diese Art der Mediation gerade in Niedersachsen, in der speziell dafür ausgebildete Richter die Rechtsstreitigkeiten durch Mediation erledigen.

Vorteile der Mediation

Zum Abschluß sollten noch einmal die doch erheblichen Vorteile der Mediation gegenüber den herkömmlichen Gerichtsverfahren hervorgehoben werden:
Der wesentliche Vorteil besteht in der kurzen Verfahrensdauer (Gesamtkonfliktlösung: Wenige Wochen. Dauer des Verfahrens selbst: Ein bis drei Tage) und den damit verbundenen geringeren Verfahrenskosten sowie der Einsparung von Kosten, die durch Bindung des Personals im Zusammenhang mit der Konfliktaufbereitung entstehen.

Zudem wird eine umfassende Konfliktlösung angestrebt. Die eingeschränkte Sichtweise auf Ansprüche und Gegenansprüche entfällt, da der Konflikt umfassend unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungsebene behandelt wird. Durch eine abschließende Regelung wird der Instanzenzug der Gerichte ausgeschlossen, Planungssicherheit erreicht und die Auflösung von Rückstellungen ermöglicht. Eine Konfliktlösung für die Zukunft führt häufig zur Aufrechterhaltung und Verfestigungen der Geschäftsbeziehungen.

Da der Konflikt nicht in die Hände eines Dritten (häufig nicht spezialisierten Gerichtes) gegeben werden, entscheiden die Parteien letztlich selbst den Konflikt. In diesem Rahmen ist die Lösung des Konfliktes nicht auf die Beachtung von Normen beschränkt. Vielmehr ist auch eine Konfliktlösung für nicht justiziable Bereiche möglich. Auch können solche Konfliktbeteiligte in das Verfahren einbezogen werden, die nach der Zivilprozeßordnung nicht einbezogen werden können (z.B. in internationalen Streitigkeiten).

Fazit:

Werden die Vorteile des Mediationsverfahrens gesehen und von allen Beteiligten genutzt, wird das Ziel einer sogenannten Win-win-Lösung regelmäßig erreicht. Unter diesem Blickwinkel sollte sich das Mediationsverfahren auch im Baubereich als vorteilhafte und sinnvolle Alternative zu den herkömmlichen Verfahrensarten erweisen.