von RA Dr. Reinhard Voppel
in: HLH 6/2015, 70
in: HLH 6/2015, 70
Der Auftraggeber rügt bei einem Unternehmer einen Mangel. Der Unternehmer begibt sich zur Prüfung zu dem Objekt. Im Ergebnis stellt sich heraus, dass der gerügte Mangel nicht vorliegt. Der Unternehmer möchte Ersatz der für die Untersuchung erforderlichen Aufwandes geltend machen.
Nicht selten besteht über Mängel und ihre Ursachen Unklarheit. Zur Wahrung seiner Rechte fordert der Auftraggeber den Unternehmer, den er für den Verursacher des Mangels hält, auf, den Mangel zu beseitigen. Der Unternehmer folgt der Aufforderung, stellt aber bei eigener Überprüfung fest, daß gar kein Mangel vorliegt oder der Mangel nicht von ihm verursacht worden ist. Es stellt sich die Frage, ob der Unternehmer die Aufwendungen (insbesondere Zeitaufwand für An- und Abfahrt sowie Untersuchung, Fahrtkosten) beim Auftraggeber geltend machen kann.
Das OLG Koblenz (Beschluss vom 4. 3. 2015 – 3 U 1042/14 –) hatte über einen solchen Fall zu entscheiden: Auf die Mängelrüge hin versandte der Auftragnehmer ein Schreiben mit folgendem Inhalt: „Wir sind gerne bereit, eine örtliche Überprüfung vorzunehmen. Sollten wir feststellen, dass von uns zu vertretenden Mängel vorhanden sind, werden wir Nachbesserungsmaßnahmen veranlassen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass die von Ihnen gerügten Mängel nicht vorhanden sind oder auf nicht von uns zu vertretenden Gründen beruhen, müssen wir Ihnen die Kosten für die Überprüfung einschließlich der Fahrtkosten in Rechnung stellen. Wir erlauben uns davon auszugehen, dass Sie mit dieser Regelung einverstanden sind, falls wir nicht innerhalb der nächsten drei Tage von Ihnen anders lautenden Nachricht erhalten.“ Der Auftraggeber reagierte auf das Schreiben nicht. Es stellte sich heraus, dass kein Mangel vorlag.
Da OLG Koblenz ist der Ansicht, dass der Auftragnehmer Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen habe. Zwar müssen Mängel vom Auftragnehmer kostenlos beseitigt werden, das bedeute jedoch nicht, dass die Aufwendungen für die Überprüfung der Mangelbehauptung in jedem Fall vom Auftragnehmer zu tragen seien, auch wenn sich die Mangelbehauptung als falsch herausstelle. Nach Abnahme sei es nicht Aufgabe des Auftragnehmers sondern des Auftraggebers, die Mangelhaftigkeit der Werkleistung aufzuklären. Dabei müsse ihn der Auftragnehmer unterstützen, könne aber, falls ein Mangel nicht vorliege, aus bedingt erteiltem Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend machen.
Der Auftragnehmer habe mit dem zitierten Schreiben klar zum Ausdruck gebracht, dass er für den Fall, dass kein Mangel vorliege, nur gegen Kostenerstattung tätig werde. Zwar stellt Schweigen grundsätzlich keine Zustimmung dar. Dadurch dass der Auftraggeber den Auftragnehmer die Überprüfung habe vornehmen lassen, habe er aber stillschweigend das Angebot auf Abschluss eines bedingten Werkvertrages angenommen. Die Bedingung – es liegt kein Mangel vor – ist eingetreten. Daher spricht das OLG Koblenz dem Auftragnehmer den Aufwandsersatz zu.
Entsprechend haben auch das OLG Karlsruhe (Urteil vom 13. 5. 2003 – 17 U 193/02 –) und das OLG Celle (Urteil vom 8. 5. 2002 – 7 U 47/00 –) entschieden. In allen Fällen hatte der Auftragnehmer vor der Überprüfung des behaupteten Mangels eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er nur gegen Vergütung tätig werde, falls sich der Mangelvorwurf als falsch herausstelle, und der Auftraggeber hat dem ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt.
Wenn der Auftragnehmer dagegen vorab keinen Vergütungsanspruch reklamiert, wird allgemein angenommen, dass er mangels einer Anspruchsgrundlage keine Vergütung geltend machen könne.
Eine etwas andere Fallgestaltung lag einer Entscheidung des BGH (Urteil vom 2. 9. 2010 – VII ZR 110/09 –) zugrunde. Auch dort hatte der Auftragnehmer sein Tätigwerden davon abhängig gemacht, dass der Auftraggeber der Kostentragung für den Fall zustimme, dass der Mangel nicht vom Auftragnehmer verursacht sei. Der Auftraggeber hatte das abgelehnt, der Auftragnehmer daraufhin die Mängelbeseitigung verweigert. Der BGH stellt klar, dass der Auftragnehmer Maßnahmen zur Mängelbeseitigung nicht davon abhängig machen dürfe, dass der Auftraggeber eine entsprechende Erklärung abgibt. Das BGB schränkt die Mängelrechte des Auftraggebers für den Fall, dass die Verantwortlichkeit für die Mängel noch nicht geklärt ist, nicht ein. Der Auftraggeber ist auch nach Abnahme zur Erforschung der Mangelursache nicht verpflichtet; vielmehr muss der Auftragnehmer Mängelbehauptungen prüfen und Grund und Umfang seiner Leistungspflicht beurteilen. Im entschiedenen Fall stellte sich nachträglich heraus, dass der Auftragnehmer den Mangel verursacht hatte, so dass der BGH die Frage der Kostentragungspflicht für den Fall, dass der Auftragnehmer für den Mangel nicht verantwortlich ist, nicht entscheiden musste. Der BGH stellt aber dar, dass dann, wenn der Auftraggeber bei der im Rahmen seiner Möglichkeiten gebotenen Überprüfung hätte feststellen können, dass der Auftragnehmer nicht für den Mangel verantwortlich ist, ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch bestehen kann. Ob der BGH Ansprüche aus einem (bedingten) Vertrag ausschließen wollte, ist daraus nicht eindeutig ersichtlich.
Für den bauleitenden Planer ergibt sich daraus: Grundsätzlich muss der Auftragnehmer prüfen, ob eine Mangelbehauptung zutreffend ist. Er kann die Überprüfung der Mangelbehauptung nicht davon abhängig machen, dass der Auftraggeber einer Kostenübernahme für den Fall zustimmt, dass der Auftragnehmer nicht verantwortlich ist. Eine solche Erklärung sollte daher nicht abgegeben, einer entsprechenden Forderung widersprochen werden. Allerdings kann der Auftragnehmer ggf. einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn der Auftraggeber bzw. der Planer bei hinreichend sorgfältiger Prüfung hätten erkennen können, dass den Auftragnehmer keine Verantwortung für den geltend gemachten Mangel trifft.