BGH, Beschluß vom 22. 12. 2005 – VII ZB 84/05 –, NZBau 2006, 245
Der Beklagte hatte den Kläger als Generalplaner mit Leistungen der Leistungsphasen 1–9 für Architektur, Tragwerksplanung und Technische Ausrüstung beauftragt. Nach dem Vertrag wird die Schlußzahlung fällig, wenn die Kostenfeststellung vorliegt, sämtliche beauftragten Leistungen erbracht sind und eine prüffähige Schlußrechnung eingereicht ist. Eine Teilschlußrechnung konnte nach Abschluß der Leistungsphase 4 gestellt werden. Im Vertrag war weiter geregelt: „Auf Anforderung des Auftragnehmers werden Abschlagszahlungen i. H. von 95 % des Honorars für die nachgewiesenen Leistungen einschließlich Umsatzsteuer gewährt. …“
Die Leistungen der Leistungsphase 1–4 sind bezahlt. Die Abschlagsrechnungen sind zu 95 % bedient worden. Die Leistungen der Leistungsphase 8 sind abgeschlossen. Der Kläger hat eine weitere Teilschlußrechnung über die Leistungen der Leistungsphasen 5–8 gestellt, die die einbehaltenen 5 % aus den Abschlagszahlungen umfaßt. Diesen Betrag macht er hilfsweise als weitere Abschlagsrechnung geltend.
Der Kläger kann keine Teilschlußrechnung stellen. Das ist nur möglich, wenn die Parteien das vereinbart haben, so wie es im vorliegenden Fall für die Teilschlußrechnung nach Abschluß der Leistungsphase 4 geschehen ist. Zwar hatte der Kläger vor Vertragsschluß bemängelt, daß nach Abschluß der Leistungsphase 8 keine Teilschlußrechnung vorgesehen war; der Beklagte hatte demgegenüber nur auf die vertragliche Regelung verwiesen. Eine Einigung über eine weitere Teilschlußrechnung ist nicht zustande gekommen.
Der BGH gibt dem Kläger jedoch aus dem Hilfsantrag recht: Als weitere Abschlagszahlung kann der Kläger die Auszahlung der bislang einbehaltenen 5 % verlangen.
Dem steht allerdings die vorstehend zitierte Vertragsregelung entgegen. Diese erweist sich indes als unwirksam. Es handelt sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegt. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach § 307 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die fragliche Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmung, von der abgewichen wird, nicht vereinbar ist.
Anknüpfungspunkt ist § 8 Abs. 2 HOAI. In diesem Zusammenhang betont der BGH erneut entgegen Kritik in der Literatur, daß § 8 Abs. 2 HOAI von der Ermächtigungsgrundlage der HOAI gedeckt und damit wirksam ist: Auch Regelungen, die die Fälligkeit der Honorare betreffen, sind typische Bestandteile einer Honorarordnung.
§ 8 Abs. 2 HOAI geht – auch wenn das nicht ausdrücklich gesagt wird – davon aus, daß Abschlagszahlungen in voller Höhe der erbrachten Leistungen beansprucht werden können. Von diesem gesetzlichen Leitbild weicht die fragliche Klausel ab. Allerdings läßt § 8 Abs. 4 HOAI abweichende Vereinbarungen zu. Dies gilt ohne weiteres für Individualvereinbarungen. § 307 BGB soll aber gerade für Fälle, in denen das Gesetz nicht zwingend ist (sonst wären abweichende Vereinbarungen ohnehin unwirksam), Schutz vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen gewähren. § 8 Abs. 2 HOAI stellt einen Ausgleich für die Vorleistungspflicht des Planers dar und ist somit – ebenso wie auch für andere Werkverträge § 632 a BGB – ein gesetzgeberisches Leitbild, von dem in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht abgewichen werden darf.
Soweit geht der BGH indessen in seiner Entscheidung – anders als das LG Köln, BauR 1999, 1206 – nicht. In Anbetracht des konkreten Sachverhalts brauchte er eine so allgemeine Aussage nicht zu treffen und tut es auch nicht. Nach Ansicht des BGH ist eine Vereinbarung von Abschlagszahlungen in Höhe von nur 95 % des Wertes der erbrachten Leistungen jedenfalls dann unwirksam, wenn der Planungsvertrag auch die Leistungen der Leistungsphase 9 umfaßt. Mangels besonderer Vereinbarung ist die Schlußzahlung dann erst nach Abschluß der Leistungen auch der Leistungsphase 9 fällig. Der Einbehalt in Höhe von 5 % auf das zumindest vorläufig verdienten Honorars für die vorangegangenen Leistungsphasen (im vorliegenden Fall Leistungsphasen 5–8, in anderen Fällen häufig Leistungsphasen 1 oder 2–8) und damit eines nicht unerheblichen Teils des Honorars erstreckt sich über fünf oder mehr Jahre, nämlich bis die – möglicherweise zeitweise gehemmte – Verjährungsfrist für Mängelansprüche gegen die ausführenden Unternehmer abgelaufen ist. Das jedenfalls wird als unangemessen betrachtet.
Nichts anderes kann aber meines Erachtens gelten, wenn Leistungsphase 9 nicht beauftragt ist: auch die Leistungen der Leistungsphase 8 können sich je nach Objekt über Jahre hinziehen, so daß auch dann ein erheblicher Teil des Honorars für die vorangehenden Leistungsphasen und auch für die bereits abgearbeiteten Teile der Leistungsphase 8 selbst dem Auftragnehmer vorenthalten bleiben. Der BGH brauchte diesen Fall nicht zu entscheiden. Nach der Begründung der Entscheidung spricht aber einiges dafür, daß er auch dann, wenn Leistungsphase 9 nicht beauftragt ist, eine Beschränkung der Abschlagszahlungen auf 95 % in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam erklären würde. Das gilt im übrigen nach ausdrücklicher Aussage des BGH auch für einen geringeren Einbehalt.
Der BGH stellt im weiteren noch dar, daß es auch keinen rechtfertigenden Grund für einen solchen Einbehalt gibt, der ausnahmsweise der Klausel trotz Abweichung vom gesetzlichen Leitbild ihre Wirksamkeit belassen könnte.
Der Anspruch auf Abschlagszahlungen setzt voraus, daß die abgerechnete Teilleistung vollständig und mangelfrei erbracht ist; ist das nicht der Fall, steht dem Auftraggeber ohnehin ein Zurückbehaltungsrecht zu.
Die Tatsache, daß das Honorar endgültig erst mit der Abrechnung in der Schlußrechnung feststeht, wird nicht als Grund anerkannt. Auch Abschlagsrechnungen müssen prüffähig aufgestellt werden und die jeweils aktuellen Kostenermittlungen berücksichtigen. Zumal dann, wenn die Leistungsphase 8 abgeschlossen ist, gibt es hinsichtlich der anrechenbaren Kosten, aber auch anderer Honorarparameter keine Unsicherheiten mehr. Dennoch können Überzahlungen im Rahmen von Abschlagsrechnungen nicht ausgeschlossen werden. Bei der Prüfung der Schlußrechnung können sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Abweichungen von der Berechnung des Auftragnehmers ergeben. Insofern mag der Auftraggeber ein Bedürfnis haben, das Überzahlungsrisiko abzusichern. Ob und in welcher Weise das zulässig ist, hat der BGH nicht angesprochen; er hat aber ausdrücklich klargestellt, daß ein Einbehalt von den Abschlagszahlungen kein angemessenes Sicherungsmittel ist, weil dadurch dem Auftragnehmer Liquidität entzogen wird, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, dies durch Stellung einer anderen Sicherheit (insbesondere Bankbürgschaft) abzuwenden.